Die letzte Meile entscheidet im Vertrieb

Die letzte Meile

Zu den ersten „Bürgerpflichten“ eines Verkäufers gehört es, im Verkaufs- und Beratungsgespräch eine glaubwürdige und vertrauensvolle Beziehung zum Kunden aufzubauen, „im Kopf des Kunden zu denken“n. und sich in seine Welt zu versetzen.


Ob an der Verkaufstheke, ob im Ausstellungsraum eines Autohauses oder Möbelgeschäfts: Der Kunde ist und bleibt bei allen Beratungs- und Verkaufsgesprächen die wichtigste Person. Eine Binsenweisheit, die in wirtschaftlich schwierigen Zeiten, in denen die Unternehmen auf schnelle Abschlüsse im operativen Tagesgeschäft angewiesen sind, schnell vergessen wird. Das Problem: Die Fixierung drängt den Aufbau langfristig wirksamer Kundenbeziehungen in den Hintergrund. Doch wo Märkte immer enger und Produkte oder Dienstleistungen immer ähnlicher werden, ist die Beziehungsebene ein wichtiges Verkaufselement. Ob Kundenorientierung und Vertrauensaufbau gelingen, entscheidet sich am Point of Sales. Unternehmen, die jetzt nicht über den Preis, sondern über Top-Qualität in Verkauf und Service verkaufen, bauen Vertrauen auf.

Entscheidend beim Kampf um den Kunden ist die „letzte Meile“. Bis dahin bieten viele Unternehmen ein gutes Verkaufsgespräch – doch das ist der Standard, und über den verfügen viele. Entscheidend ist, was auf den letzten Metern passiert. Hier trennt sich die Spreu vom Weizen, hier entscheidet sich, ob ein Kunde nur zustimmend nickt – oder kauft. Wichtigster Erfolgsfaktor dabei: Der professionelle und kompetente Verkäufer, der eine emotionale Beziehung zum Kunden aufbaut.

Authentizität und Glaubwürdigkeit

Die Fähigkeit zum Vertrauensaufbau ist abhängig von der Einstellung des Verkäufers. Profi-Verkäufer räumen den Wünschen ihrer Kunden und dem Kundennutzen oberste Priorität ein und verstehen sich als Problemlöser. Und indem sie ihren Kunden helfen, ihre Ziele zu erreichen, kommen sie auch ihren eigenen Zielen näher.“ Diese Einstellung ist nicht etwa gottgegeben, sondern kann trainiert werden. Viele Verkäufer rufen nicht ihr gesamtes Potenzial ab, weil sie sich an Erfolgsgrundsätze und -techniken klammern, die mit ihrer Persönlichkeit nicht übereinstimmen. Der Kunde bemerkt diese Diskrepanz sehr schnell – und ist verstimmt. Wenn das Wort „Ja“ sagt, der Körper aber „Nein“ signalisiert, Sprache und Körpersprache also nicht übereinstimmen, verliert der Verkäufer in den Augen des Kunden an Glaubwürdigkeit. Der Vertrauensaufbau gelingt jedoch umso besser, desto glaubwürdiger und authentischer der Verkäufer dem Kunden entgegentritt. Das Verhalten muss stimmig sein – und das ist der Fall, wenn es bei einem Menschen keinen Widerspruch zwischen seinen Werten, Überzeugungen, seinen Fähigkeiten und Verhaltensweisen gibt. Ein Verkäufer sollte deshalb in seinen Kundenkontakten voll und ganz hinter dem stehen, was er sagt und tut.

Erfolgreicher Umgang mit dem Kunden setzt erfolgreichen Umgang mit sich selbst voraus. Nicht immer verläuft ein Verkaufsgespräch so, wie der Verkäufer es sich wünscht. Wenn dieser sich im Umgang mit dem Kunden jene hemmenden Erlebnisse vor Augen stellt, verkrampft er und gerät in eine demotivierende Negativ-Spirale. Vor jedem Kundenkontakt sollte sich der Verkäufer in einen verkaufsfördernden Zustand versetzen – indem er „geistiges Theater“ spielt und sich an gut verlaufende Kundengespräche erinnert. Das hat nichts mit plattem positiven Denken zu tun: Ein Tennisspieler, der sich vor einem Ballwechsel an den vorhergehenden Doppelfehler erinnert, blockiert sich selbst. Der Verkäufer, der sich nicht auf seine Doppelfehler fokussiert, sondern auf seinen starken Aufschlag, besinnt sich auf seine Stärken, befreit sich von hemmenden Überzeugungen und Erlebnissen und gewinnt positive Leistungsenergie – Leistungsenergie, die ihm hilft, sein Verkaufs-Potenzial im Umgang mit dem Kunden voll auszuschöpfen.

Kundennutzen in Produktnutzen verwandeln

Viele Verkäufer sehen ihre primäre Aufgabe darin, Produkte und Dienstleistungen anzubieten – entsprechend stellen sie deren Merkmale in den Vordergrund und vernachlässigen die Wünsche des Kunden. „Unser Produkt hat den großen Vorteil …“ lautet die Standardansprache. Kundenorientierte Verkäufer rücken den Kundennutzen in den Mittelpunkt – und nicht sich selbst und ihre Produkte: „Was erwarten Sie von dem Produkt, warum ist die Dienstleistung für Sie wichtig?“ Diese Fragen führen direkt in die Welt des Kunden. Der Verkäufer muss herausfinden, was den Kunden bewegt, er muss ihn verstehen, und seinen Kaufmotiven auf die Spur kommen. Dabei hilft eine differenzierte Fragetechnik, die zu den wichtigsten Methoden gehört, die Welt des Kunden zu betreten. Nicht der Verkäufer soll reden – sondern der Kunde. Ein Verkäufer, der das Gespräch durch Fragen führt, signalisiert, wie wichtig der Kundennutzen für ihn ist – und er erhält Auskunft über das konkrete Kaufmotiv. Darauf kann er eine kundenorientierte Argumentationsstrategie aufbauen und ihm das Produkt oder die Dienstleistung empfehlen, die für ihn maßgeschneidert ist. Der Verkäufer sollte dem Kunden keine direkten Angebote unterbreiten. Geschickter ist es, über gesteuerte Fragen das Interesse zu wecken und zu erfahren, welchen Nutzen sich der Kunde durch den Erwerb des Produktes verspricht. Der Kunde merkt, dass der Verkäufer ihm nicht „ein tolles Produkt“ verkaufen will, sondern einen Nutzen, der ihm den erwarteten Vorteil bringt.

Die Sprache des Kunden sprechen

Vertrauen lässt sich aufbauen, indem Gemeinsamkeiten zwischen Verkäufer und Kunde geschaffen werden. Wer „in der Welt des Kunden leben will“, benötigt Informationen über ihn, die im Gespräch eingesetzt werden können. Eine einfache, aber vielleicht gerade deswegen oft vernachlässigte Methode: Sich den Namen des Kunden merken und ihn im Gespräch so oft wie möglich nennen. Gemeinsamkeiten lassen sich zudem über Informationen herstellen, die dem Verkäufer – etwa aus vergangenen Verkaufsgesprächen – aus dem persönlichen Bereich des Kunden bekannt sind und die er sich auf seiner persönlichen Kunden-Karteikarte notieren kann: Infos zu Hobbys, zum Geburtstag und zu anderen privaten Angelegenheiten. Dann kann er den Kunden mit den Worten begrüßen: „Wie ist denn die Geburtsfeier Ihrer Tochter verlaufen?“

Verkäufer sollten dem Kunden bereits durch ihre Sprache zeigen, dass sie sich mit ihm auf einer Wellenlänge bewegen wollen. Der Wille des Verkäufers zum kommunikativen Gleichklang Ausdruck eines wirklichen Interesses an dem Kunden: „Bitte kein Fachchinesisch, der Kunde kennt das Produkt nicht so gut wie der Verkäufer. Sondern in einer klaren und verständlichen Sprache den Kundennutzen auf den Punkt zu bringen“ – das schafft Vertrauen. Spricht ein Kunde besonders langsam, sollte der Verkäufer sich darauf einstellen, dies auch zu tun. Jeder Mensch benutzt bestimmte Sprachmuster, aus denen sich erkennen lässt, zu welchem Typ er gehört, ob er also eher ein visueller, auditiver oder kinästhetischer Typ ist. Erkennt der Verkäufer, um welchen Typ es sich bei seinem Kunden handelt, kann er seine verbalen und nonverbalen Signale darauf auszurichten. Stellt er fest, dass der Kunde Informationen vor allem über den Sehsinn aufnimmt, sollte er in seinen Äußerungen visuelle Metaphern benutzen.

Ein professioneller Verkäufer findet den goldenen Mittelweg zwischen Verkauf, also Umsatzorientierung und Abschluss, und individueller Beratung unter dem Aspekt des Beziehungsmanagements und des Vertrauenssaufbaus. Die Bewältigung dieser komplexen Aufgabe ist nicht leicht – aber ein nachhaltig wirksames Training schafft die notwendigen Voraussetzungen.